Wie sich die Natur die Auenlandschaft zurückerobert

Beutelmeise brütet in Hohenrode / Bedeutung für den Artenschutz steigt


Beutelmeisennest. - Foto: Ingo Schmidt
Beutelmeisennest. - Foto: Ingo Schmidt

 

Noch zieht das Kiesabbauschiff seine Bahnen über die entstehende Auenlandschaft Hohenrode, während sich die Natur das Areal aus Teichen, Uferabbrüchen und Weichholzsäumen für sich erobert. Mit der Renaturierung halten auch seltene Tierarten Einzug, wie sich bereits jetzt zeigt und einen Einblick in die zukünftige Entwicklung hin zu einem artenreichen Biotop zulässt.


Ein genauer Blick auf die Auenlandschaft verrät, dass dieser dynamische Lebensraum nicht erst mühsam zum Naturkleinod entwickelt werden muss, sondern Flora und Fauna bereits eindrucksvoll Einzug halten. „Diese Naturidylle aus zweiter Hand wurde einer natürlichen Auenlandschaft nachempfunden, wie sie vor den Flussbegradigungen an der Weser existierte“, weiß Nick Büscher, 1. Vorsitzender der NABU-Gruppe Rinteln. Es sei nur eine Frage der Zeit, bis sich innerhalb einer natürlichen Entwicklung in der Hohenroder Weseraue die für diesen Lebensraum charakteristischen Tiere und Pflanzen einfinden werden. Offene, vegetationsarme Bereiche aus Sand und Kies wechseln sich ab mit Steilwänden und bereits mit Weiden langsam zuwachsenden Bereichen. Kleine, dicht bewachsene Teiche, Flutmulden und Überschwemmungsflächen prägen die Auenlandschaft und lassen eine stetige Neu- und Fortentwicklung der einzelnen Biotope zu. Das Hochwasser der Weser erweist sich als Landschaftsgestalter und sorgt auf natürliche Weise dafür, dass sich die Auenlandschaft verjüngt, Vegetation weggespült wird, so dass wiederum offene Bereiche entstehen. Und jede Tier- und Pflanzenart benötigt andere Voraussetzungen an ihren Lebensraum, so dass die Dynamik der Auenlandschaft zur Vielfalt beiträgt.


Höckerschwan in der Auenlandschaft. - Foto: Kathy Büscher
Höckerschwan in der Auenlandschaft. - Foto: Kathy Büscher

Die Rintelner Naturschützer beobachten seit geraumer Zeit die Entwicklung in der Auenlandschaft und zeigen sich erfreut. In den Steilabbrüchen der Uferbereiche brüten regelmäßig Uferschwalben. Der auf der Roten Liste stehende Koloniebrüter bevorzugt die Steilhänge vegetationsloser Abgrabungen. Nachdem Prallhänge von Fließgewässern selten geworden sind, hat die Uferschwalbe diesen neuen Lebensraum für sich entdeckt. In diesem Jahr kann erstmalig nachgewiesen werden, dass die in Deutschland selten gewordene Beutelmeise in der Weichholzaue brütet. Charakteristisch für die in Flussniederungen und Uferbereichen brütende Beutelmeise ist ihr Nestbau: Das Männchen baut mehrere beutelartige Nester, die aus Weidensamenwolle, Spinnenweben und Pflanzenfasern bestehen und welche die Beutelmeise an herabhängenden Zweigen in Gewässernähe hängt. „Neben dem in Niedersachsen in seinem Bestand gefährdeten Eisvogel finden auch Austernfischer, Knäckenten und sogar Gänsesäger eine Zuflucht in der Auenlandschaft“, so Büscher. Regelmäßig können zudem Graureiher und Kormoran sowie Reiherenten und Haubentaucher, aber auch auf dem Durchzug sich befindende Kraniche beobachtet werden. Mit gezielten Artenschutzmaßnahmen wollen die Rintelner Naturschützer erreichen, dass auch die in Niedersachsen stark gefährdete Flussseeschwalbe und der vom Aussterben bedrohte Fischadler in der Auenlandschaft ein beständiges Zuhause finden.


Reiherentenweibchen. - Foto: Kathy Büscher
Reiherentenweibchen. - Foto: Kathy Büscher

Dass die Auenlandschaft nicht nur ein Vogelparadies ist, sondern auch für viele Fischarten einen wichtigen Rückzugsraum bildet und auch Säugetierarten von diesem einmaligen Lebensraum profitieren, wissen die Naturschützer ebenfalls. Es sei Büscher zufolge nur eine Frage der Zeit, bis sich sogar der Fischotter in der Auenlandschaft niederlässt, falls er nicht bereits da ist: „In der jüngsten Vergangenheit gab es bereits Nachweise des Fischotters im Kreis Minden-Lübbecke, so dass sich der Fischotter im Weserflusssystem unweit der Auenlandschaft befindet“, wie Büscher erläutert. Um herauszufinden, ob der Fischotter die Hohenroder Weserschleife schon erreicht hat, bemüht die Rintelner NABU-Gruppe Fotofallen, um einen eindeutigen Nachweis erbringen zu können. Der extrem selten gewordene Meisterschwimmer bevorzugt flache Flussbereiche mit zugewachsenen Ufern und Überschwemmungsebenen – die Auenlandschaft Hohenrode erweist sich folglich als ein idealer Lebensraum für das scheue Säugetier. Der Beitrag der Auenlandschaft für die heimische Artenvielfalt ist derzeit noch nicht absehbar, aber bereits jetzt unschätzbar wertvoll und erhaltenswert.