Naturschutz mit Motorsäge und Astkneifer

NABU schneitelt Kopfweiden / Erhalt der Kulturlandschaft


Ein Samstagmorgen im Winter. Das knatternde Kreischen einer Motorsäge zerschneidet die kalte Luft. Blätterrauschen und das Knacken von Astwerk künden vom Fall eines kleines Baumes oder großen Astes. Was sich akustisch wie eine Naturfreveltat ankündigt, ist praktischer Naturschutz: Das Schneiteln von alten Kopfweiden. Die ehrenamtlichen Naturschützer des NABU Rinteln haben sich auf ihrem Pachtgebiet an der Schilfwiese in Strücken getroffen, um die in die Höhe gewachsenen Kopfweiden zu schneiteln – und um die Kulturlandschaft zu erhalten.


Die Ehrenamtlichen des NABU beim Entlaster der Kopfweiden von ihrer Last. - Foto: Kathy Büscher
Die Ehrenamtlichen des NABU beim Entlaster der Kopfweiden von ihrer Last. - Foto: Kathy Büscher

Denn seitdem die Bauern keine selbstgemachten Bohnenstangen mehr benötigen, durch die Aufgabe der Grünlandwirtschaft kaum noch Zaunpfähle brauchen und Stiele für Besen, Schaufel, Handkarren im Laden kaufen, verfällt eine uralte Kultur. Früher lieferten Kopfweiden Holz für Holzschuhe, Flechtmaterial für Kartoffelkörbe und Reisigpakete für den Backofen. Selbst das Vieh wurde mit ihren Blättern gefüttert, die mitsamt den dünnen Zweigen in der „Laube“ getrocknet wurden. Heute macht das Erdölzeitalter Körbe aus Plastik, verschafft Kraftfutter aus der Dritten Welt – und wer backt schon noch im Holzofen?


Die alten Kopfweiden jahrzehntelang von den Bauern gepflegt, das heißt pfleglich „verstümmelt“, wachsen ohne erneutes Schneiteln in den Himmel, werden kopflastig, verlieren den Halt und fallen so dem ersten ernsten Herbststurm in die Arme. „Kopfweiden sind Heimat. Mit ihnen verschwinden die Steinkäuze, die in weiten Teilen Mitteleuropas auf die Kombination von Kopfweide und Grünland angewiesen sind“, so Nick Büscher, 1. Vorsitzender der NABU-Gruppe Rinteln. Andere Höhlenbrüter wie Bachstelzen, Gartenrotschwänze und Feldsperlinge, Hohltauben und Meisen verlieren mit den alten „Erlenkönigen“ ihre Heimat in der Feldflur.


Die Ehrenamtlichen des NABU beim Entlaster der Kopfweiden von ihrer Last. - Foto: Kathy Büscher
Die Ehrenamtlichen des NABU beim Entlaster der Kopfweiden von ihrer Last. - Foto: Kathy Büscher

 

 

Aber noch härter trifft es die zahllosen Insektenarten, die in den oftmals angefaulten, mulmreichen, zerfurchten oder ausgehöhlten Baumrecken ihre Larvenzeit verbringen oder von Blüten und Blättern leben. „Weiden zählen zu den insektenreichsten Pflanzen überhaupt. Alleine über hundert Käferarten sind auf Weiden angewiesen und viele von ihnen besiedeln besonders gerne die geköpften Vertreter dieser Baumfamilie: die Kopfweiden“, so Büscher. Unter ihnen seltene Vertreter wie Moschusbock und Weberbock. Um diese flatternde, krabbelnde, singende und brummende Vielfalt zu schützen und ein Landschaftsbild zumindest in Resten zu erhalten, wo uns noch vermittelt werden kann, was der Begriff Kulturlandschaft meint, pflegt der NABU Rinteln die Kopfbäume durch Köpfen oder Schneiteln. Und sie erhält durch das Pflanzen neuer Weidenreihen die Grundlagen für die schon den alten Ägyptern bekannte Weidenkultur.