Flurbereinigungsverfahren Rintelner Wiesen

Flurbereinigungsverfahren Rintelner Wiesen - Stellungnahme, Widerspruch


Sehr geehrte Damen und Herren

 

mit Schreiben und Einladung vom 28.02.08 und mündlich auf dem Informationstermin am 27.03.08 in Rinteln baten Sie um eine Stellungnahme unseres Verbandes und um fachliche Hin-weise. Dem folge ich mit diesem Schreiben. Im Wesentlichen beziehen wir uns auf das aktuell überplante Gebiet und auf den von ihnen schriftlich übermittelten und auf dem Nachmittags-Infotermin mündlich vorgetragenen Sachstand. 

 

Zunächst weisen wir darauf hin, dass es sich bei dem aktuell überplanten Gelände partiell um faunistisch bedeutsame Räume handelt. Dem Bereich westlich der Verbindungsstraße Möllenbeck – Eisbergen kommt eine nationale Bedeutung für Gastvögel zu. Bedeutende Rastvo-gelarten sind hier Kiebitz, Goldregenpfeifer, Bless- und Graugans, Kranich sowie Sing- und Hö-ckerschwan. Diese Arten benötigen großflächig störungsfreie bzw.- -arme Räume. Ein Teil der Arten profitiert u.a. von den oberflächennahen Grundwasserständen der Weseraue im Spätwinter und Frühling. Die Stadt Rinteln wollte ein Teil der Flächen als Windvorranggebiet ausgewiesen und hat den Flächennutzungsplan nach einer Teillöschung des Landschaftsschutzgebietes dahin-gehend geändert. Diese Flächenutzungsplanänderung hat das Verwaltungsgericht Hannover zu-rückgenommen (Aktenzeichen 12A6831/04), u.a. weil sich die Planung der Stadt aus seiner Sicht als „abwägungsdefizitär“ darstellt und die Belange des Naturschutzes unzureichend be-rücksichtigt wurden. Das Verwaltungsgericht stellt zudem fest, dass dem Gebiet „avifaunistisch unstreitig eine hohe, nämlich nationale und landesweite Bedeutung zukommt“. Mit Klage vom Oktober 2007 strengt der NABU ein Normenkontrollverfahren an, um die Teillöschung des LSG rückgängig zu machen. Das ist bislang nicht geschehen, weil die Stadt Rinteln auf eine Zulassung zur Berufung gegen das o. g. Urteil hofft. Aktuell handelt es sich bei dem Bereich nach Auffassung unseres Rechtbeistandes um ein „faktisches Vogelschutzgebiet“. Es ist außerdem nicht absehbar, wann das Gerichtsverfahren entschieden wird. Wir würden deswegen versuchen, gerichtlich eine Veränderungssperre durchzusetzen, um unsere Ziele in einem schwebenden Ver-fahren nicht zu gefährden.

 

Wir möchten Sie mit der Schilderung dieses Vorgangs jedoch nicht nur darauf aufmerksam ma-chen , dass es sich um einen sensiblen Raum handelt (es wurde übrigens dort auch ein hohe Be-deutung von mindestens regionaler Bedeutung für die Brutvogelfauna festgestellt), sondern da-rauf hinweisen, dass Teile Ihrer aktuellen Planung geeignet sind, die hohe Bedeutung des Gebie-tes zu zerstören. Konkret haben wir erhebliche Bedenken gegen jeden Ausbau von Feldwegen in dem Bereich Ellerburg (geplante Wegebaumaßnahmen 107 und 108). Da auf der westlich an-grenzenden, westfälischen Seite ein Bodenabbau ansteht, ist davon auszugehen, dass ein Wege-ausbau einen erheblichen störenden Besucherverkehr (Angelsport, Baden etc.) nach sich zieht, der nicht kontrollierbar und den Zielen des Naturschutzes abträglich ist. Darüber hinaus –ich schilderte es bereits – sind einige der Rastvogelarten (v.a. Goldregenpfeifer und Kiebitz) im er-heblichen Maße von den hohen Winter- und Frühjahrgrundwasserständen der Weseraue abhän-gig, weil nur dadurch die Erreichbarkeit wirbelloser Nahrungstiere gegeben ist. Eine zusätzliche Entwässerung (geplanter Graben 305) hat absehbare negative Folgen auf die Rastplatzqualität. Dies kommt umso mehr zu tragen, weil große Gebietsbereiche weiter südlich und westlich mitt-lerweile durch den angrenzenden Nassabbau (Evaporation) zunehmend niedrige Grundwasser-stände ausweisen. Wir lehnen diese Maßnahme deswegen strikt ab und verweisen an dieser Stelle nochmals auf die hohe Bedeutung des Raumes für den Vogelschutz und auf das Urteil des Verwaltungsgerichtes, welches ja schon einmal eine „abwägungsdefizitäre“ Planung zurückge-nommen hat. 

 

Aus dem Bereich Hessendorf und Rintelner Wiesen (hier das Teilgebiet zwischen Flugplatz, Doktorsee und Verbindungstrasse Möllenbeck - Eisbergen) sind uns Vorkommen seltener und gefährdeter Brutvogelarten bekannt. Vor allem in den Rintelner Wiesen sind Ihre geplanten Maßnahmen geeignet, die Lebensräume genau dieser Arten zu zerstören. In dem Gebiet wurden vor rund 20 Jahren mit enormer Anstrengung (auch finanzieller Art) von der Stadt Rinteln und von unserer NABU Ortsgruppe Hecken angelegt und damit eine erhebliche Verbesserung von Tieren der Agrarlandschaft erreicht. Genau diese Gilde von Tierarten ist heute besonders gefähr-det. Dazu gehören unter vielen anderen Rebhuhn, Neuntöter, Goldammer, Feldsperling, Blut-hänfling, Feldlerche, Wiesenpieper und Feldhase. Die meisten sind auf der Roten Liste bzw. in der Vorwarnliste aufgeführt. Allein die Vergrößerung der landwirtschaftlichen Bewirtschaf-tungseinheiten bedingt ein zwangsläufig erhebliche Abnahme derer Bestände. Diese Tatsache ist hinlänglich wissenschaftlich bewiesen und ist Ihnen sicher bekannt (Quellen z.B. Gottschalk & Barkow 2005 in den Göttinger Naturkundlichen Schriften für das Rebhuhn; Krapp 2003, Hand-buch der Säugetiere Europa für den Feldhasen; Richarz et al. 2001, Taschenbuch für Vogel-schutz). Der Verlust an sogenannten Saumstrukturen, auch wenn es „nur“ Graswege sind, führt ebenfalls zu massiven Bestandsrückgängen bei diesen Arten. Für eine sachgerechte Abwägung zwischen landwirtschaftlichen und naturschutzfachlichen Belangen ist dementsprechend eine sorgfältige und standardisierte Erfassung unumgänglich (nach Südbeck et al. 2005, Methoden-standards zur Erfassung der Brutvögel Deutschlands). Die o. g. Vogelarten brüten sämtlich in den Rintelner Wiesen. Allein zwei Rebhuhnreviere (stark gefährdet in den Roten Listen Nieder-sachsen und Deutschlands) konnte ich bei einer kurzen Begehung Mitte März feststellen. Für eine sachgerechte Erfassung insbesondere dieser Art geben die Methodenstandards zwei Kartie-rungen im März vor, die bevorzugt abends bzw. nachts durchzuführen sind. Ihren Aussagen nach ist noch keine Kartierung erfolgt. Die ist dementsprechend 2009 nachzuholen. Eine nicht stan-dardisierte „Hosentaschenerfassung“ lehnen wir ab, da vor allem diese Vogelart Ziel unserer zahlreichen Naturschutzmaßnahmen in diesem Raum war und ist. Für die Planung sinnvoller Kompensationsmaßnahmen ist eine entsprechende Datengrundlage unabdingbar, sollen keine Zweifel über die Seriosität Ihrer Zielsetzung, auch die Belange des Naturschutzes entsprechend berücksichtigen zu wollen, aufkommen.

 

Über die Grundlage der zu planenden Kompensation für die Rekultivierung von Feldwegen konnte wir auf dem Informationsnachmittag keinen Konsens finden. Für uns ist die Grundlage der Kompensation die Breite der Wegeparzellen, für Sie die aktuell vorhandene. Sie nehmen die Wegebreite mit maximal 5 Metern an, die Tatsächliche beträgt – je nach Weg – laut GIS und vorliegenden Katasteramtsauszügen 6m, 9 m oder sogar 12m!! Sie rechfertigen damit aus unserer Sicht nicht nur die illegale Nutzung öffentlichen Eigentums, sondern Sie reduzieren die Kompensationsmöglichkeiten für den Naturschutz. Selbstverständlich wird die exakt Parzellen-breite, die von der Stadt Rinteln an Landwirte vergeben wird, andernorts ersetzt. Nach den gän-gigen Kompensationsmodellen hat ein Wegerandstreifen jedoch eine höhere Wertigkeit als eine Ackerfläche. Im Falle der gerechtfertigten illegalen Nutzung entfallen dem Naturschutz Wertig-keitspunkte, die dann auch nicht in eine Kompensation münden. Insofern gibt es für uns nur fol-gende Möglichkeiten. Entweder stellt die Stadt Rinteln die Wege in ihrer ursprünglichen Breite wieder her, so dass der Verlust entsprechend von Ihnen kompensiert werden kann oder Sie neh-men die Parzellenbreite mit höherwertigen Saumstrukturen als Kompensationsmaß an. In diese Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, dass alle (!) Wege in ihm überplanten Gebiet vor rund 20 Jahren von der Stadt Rinteln vermessen wurden. Danach haben ein Teil der Landwirte (nicht alle!) die Wegeparzellen wieder peú a peú illegal bewirtschaftet. Das ist Vorsatz und unter dieser Maßgabe können nach unserem Sachstand amtliche Vermessungskosten an die Verur-sacher weitergegeben werden. Das ist naturschutzfachlich außerdem besonders tragisch, weil dem Teil der Wege abseits der Fahrspur die höchste Bedeutung für den Artenschutz zukommt. Ich nehme nicht an, dass es im Sinne der GLL ist, die Bürger, die einen Teil der umgepflügten Wege zur Naherholung nutzen bzw. nutzen könnten, oder den Naturschutz um Flächen und Aufwertungschancen andernorts – so würden wir das sehen – zu betrügen. Ich hoffe, dass hier im Konsens zwischen Ihnen, der Stadt Rinteln und dem Naturschutz eine einvernehmliche Regelung gefunden wird, die den Ehrlichen (auch Landwirt) nicht bestraft und die illegale Nutzung öffentlichen Eigentums nicht rechtfertigt oder womöglich forciert.

 

Aus unserer Sicht findet die Naherholung keine entsprechende Würdigung. Die stadtnahen Rintelner Wiesen werden sowohl von den Doktorsee- und Flugplatzbesuchern, als auch von den Rintelnern stark genutzt. Eine Reduzierung der Wege wird hier zur Verminderung der Erho-lungsmöglichkeiten führen. Ein Besucherverkehr, der sich bei gleicher Besucherzahl auf wenige Wege konzentriert, führt zwangsläufig zu zunehmenden Störungen und zu einer Verminderung ihrer Wertigkeit für den Naturschutz. Störungsanfällige Vogelarten (z.B. Rebhuhn) brüten in der Regel nicht an den Rändern stark frequentierter Wege (und auch selten auf Ackerflächen). Sie kommen mit weniger stark frequentierten, bei entsprechender Saumbreite und Ausstattung, aber zu Recht. Den Belangen der Erholungssuchenden und des Naturschutzes ist hier aus unserer Sicht stärker Rechnung zu tragen.

Wir möchten außerdem darum bitten, keine Kompensationsmaßnahmen (z.B. Anpflanzungen) an Straßen anzulegen. Diese haben sich in der Vergangenheit als ökologische Fallen erwiesen. Ins-besondere Jungvögel und Säugetiere fallen hier verstärkt dem Verkehrstod zum Opfer.

 

Außerdem sollte die Zahl linienartiger Strukturen (=Rückzugsräume) nicht reduziert werden. Eine flächige Bepflanzung ist KEIN Ausgleich für den Verlust von Hecken und Wegen, da sich die Dichte typischer saumbewohnender Tierarten (das sind die meisten in der Agrarlandschaft) dadurch zwangsläufig verringern muss. Es würde gerade die seltenen Arten wie das Rebhuhn treffen. Eine Vernetzung ist stattdessen anzustreben, um auch mobilen Tierarten Wanderungs- und Ausbreitungsmöglichkeiten zu geben. Hier wäre es sinnvoll, ein Teil der Wege nicht zu re-kultivieren, sondern zu renaturieren!

 

Fazit: Eine Flurbereinigung mit den aktuell dargestellten Maßnahmen und auch mit den grund-sätzlichen ungeklärten Problemen der Kompensation lehnen wir ab. Wir sind gern bereit, uns im Detail mit Planungen und Kompensationsmöglichkeiten – ggf. auch auf Arbeitstreffen – ausei-nander zu setzen. Dazu ist es für uns unabdingbar, dass eine Grundlage in Form einer vollständi-gen, standardisierten Erfassung gefährdeter Wirbeltierarten –insbesondere der Vögel – für die Gebietsteile mit verstärkter Maßnahmenplanung (Rintelner Wiesen) vorliegt. Gebietsteile west-lich der Straße Möllenbeck-Eisbergen sind aus unserer Sicht aus dem Flurbereinigungsgebiet herauszunehmen. Die ohnehin wenigen geplanten Maßnahmen sind mit der nationalen Bedeu-tung des Gebietes für den Vogelschutz nicht vereinbar.