Wenn Menschen per Hand bestäuben müssen

"More than honey" macht auf das weltweite Bienensterben aufmerksam / Kreisimkereiverein und NABU setzen sich gemeinsam ein


Langsam füllt sich der Kinosaal, immer dichter schließen sich die Reihen im Metropol Theater Steinbergen. Der ein oder andere Kinobesucher betrachtet nachdenklich den Apfel, der ihnen am Eingang von den ehrenamtlichen Imkern und Naturschützern angeboten worden ist. Der Apfel, ein Elstar, wäre niemals gewachsen, wäre die Blüte nicht zuvor von jenem unscheinbaren, fleißigen Insekt bestäubt worden, das an diesem Abend im Mittelpunkt des Interesses steht: die Honigbiene.


Imker und Naturschützer für den Schutz der Biene: Andreas Ostmeyer (von links), Dennis Dieckmann und Nick Büscher vor dem Metropol-Kino. - Foto: NABU
Imker und Naturschützer für den Schutz der Biene: Andreas Ostmeyer (von links), Dennis Dieckmann und Nick Büscher vor dem Metropol-Kino. - Foto: NABU

 

„More Than Honey“ zeigt später im Film emsige Bestäuberinnen und Bestäuber ganz anderer Art: freundlich lächelnde Frauen und Männer betupfen Blüte für Blüte mit importierten Pollen in einer Apfelplantage irgendwo in China. Wenn die Bienen fehlen, weil der übermäßige Einsatz von Fungiziden zur Ausrottung der Bienen geführt hat, macht die Not erfinderisch. In Asien, so erfährt man, kann man eine mögliche Zukunft ohne Bienen erahnen, ist die menschliche Handbestäubung in manchen Regionen bereits an der Tagesordnung.


Imker und Naturschützer haben zu einem Dokumentarfilm eingeladen, welcher dem Mysterium des Bienensterbens nachgeht und neben den komplexen ökologischen Zusammenhängen einen besonderen Blick in das Innere des Superorganismus Bienenvolk riskiert – die Betroffenheit wächst mit der Einsicht, dass die Biene dem Menschen näher steht als man gemeinhin denkt. Aus der Sicht der Bienen werden die Geburt und der Hochzeitsflug der Königin begleitet und die distanzierte Beobachterperspektive durchbrochen.

 

Umso drastischer wirkt die industrielle Großimkerei in den USA, die weit entfernt von der Idylle des Imkers ist: auf großen Trucks werden tausende Bienenvölker kreuz und quer über den Kontinent transportiert, um sie als „Bestäubungsdienstleister“ der großen Obstplantagen zu nutzen. In Mandelplantagen verrichten die Bienen ihre Arbeit im Auftrag von „John Miller Honeyfarms“ und erwirtschaften mit 4.000 Bienenvölkern die stattliche Summe von 600.000 US-Dollar – dankbar ist man den Bienen im Gegenzug jedoch nicht: in den intensiv mit Pflanzenschutzmitteln behandelten Plantagen verenden die Bienenvölker reihenweise, wobei Verluste einkalkuliert werden: Während die Menschen sich mit Schutzkleidung und Gasmasken rüsten, sterben die Arbeiterinnen in den Giftgaswolken. Der „Imkerfabrikant“ John Miller bringt es selbst auf den Punkt und bekennt: „Wenn mein Großvater sehen würde, wie wir heute Bienen halten, wäre er erschüttert. Er würde sagen, dass wir unsere Seele verloren haben.“ Mit Gabelstaplern werden die Bienenvölker auf ihre stressreiche Fahrt geschickt, wie aus einem Ersatzteillager werden die Völker auseinandergerissen und vermehrt, Tausende toter Bienen werden als „Totalverlust“ lakonisch hingenommen – der massive Einsatz von Chemikalien und Antibiotika dämmt den Verlust nur zeitweilig ein.

 

Es ist kein Wunder, wenn die „Meisterbestäuberin“ nach und nach verschwindet: das stille Sterben der Honigbiene hat begonnen, zahlreiche Krankheiten von der Wachsmotte über die Faulbrut bis zur Varroa-Milbe greifen um sich und schwächen die Bienen. Und allmählich drängt sich der Verdacht auf, dass es sich beim Bienensterben keineswegs um ein Mysterium handelt, sondern vom Menschen verursacht ist. „Die Bienen sterben am Menschen, am Erfolg der Zivilisation“, wie der Film schlussfolgert, habe man doch „aus Wölfen anfällige Pudel“ gemacht. Die Domestizierung der Honigbiene habe dazu geführt, dass sanftmütige, aber anfällige Rassen gezüchtet wurden. Als Retter in der Not erweist sich die afrikanisierte Honigbiene (die sogenannten „Killerbiene“) – diese ist weniger friedlich, jedoch robust und weitaus weniger krankheitsanfällig. Und sie wird auch den Menschen überleben, der erst begonnen hat, das Phänomen Honigbiene zu begreifen.

 

„More Than Honey“ hinterlässt das durchaus zwiespältige Gefühl, dass etwas ganz gehörig im Argen liegt, die Bienen letztlich jedoch stärker sein werden als der Mensch. Dabei ist der Erhalt der Vielfalt für den Menschen Eigennutz, will er sein eigenes Überleben sichern: „Jeder kann zum Erhalt der Blütenvielfalt beitragen, was bereits im eigenen Garten anfängt“, so Nick Büscher, 1. Vorsitzender der NABU-Gruppe Rinteln. Nicht nur im fernen Amerika oder in Asien sind die Bienen gefährdet, auch in Europa ist das natürliche Gleichwicht bedroht – der massive Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, Mais-Monokulturen sowie kunstrasenähnliche Wiesen gefährden die Artenvielfalt und den Fortbestand der Bienen wie der Menschen. Will der Mensch überleben, muss er endlich damit beginnen, die Honigbiene zu respektieren, so die Quintessenz.