NABU-Wahlprüfsteine zur Kommunalwahl 2021 in Niedersachsen

Die „Top Ten“ – Ihre Wahl, unsere Wahl für Umwelt- und Naturschutz / Die Klima- und Artenkrise ist die größte Herausforderung unserer Zeit.


Wenn in Niedersachsen am 12.09.2021 die Kommunalwahl stattfindet, wird auch darüber entschieden, wie auf kommunaler Ebene die Weichen für den Natur-, Umwelt- und Klimaschutz gestellt werden.

 

Um einen Eindruck davon zu erhalten, welche Ziele und Vorstellungen die beiden Bürgermeisterkandidatinnen Andrea Lange und Doris Neuhäuser als mögliche zukünftige Bürgermeisterinnen Rintelns im Bereich des Natur- Umwelt- und Klimaschutzes umsetzen möchten, haben wir ihnen die zehn wichtigsten Fragen aus diesem Bereich zukommen lassen und um Antwort gebeten. Diese Fragen sind zugleich die "Top Ten" aus den für die Kommunalpolitik relevanten Bereiche des Natur-, Umwelt- und Klimaschutzes.


Wahlprüfsteine - Fragen des NABU und Antworten der Kandidatinnen:

Frage


Was konkret soll für die Artenvielfalt getan werden? Mit

welchen administrativen und praktischen Vorhaben setzen Sie

sich für den Erhalt der Biodiversität im Siedlungsbereich sowie in der freien Landschaft ein?


Mit welchen Maßnahmen werden Sie den Schutz von Insekten

voranbringen?


Welche finanziellen und personellen Voraussetzungen werden Sie für die Umsetzung von mehr Arten- und Umweltschutz

schaffen?


Was planen Sie, um die Natur- und Umweltkompetenz der Menschen in unserer Region zu stärken? Wie sollen Naturerlebnisräume geschaffen und entwickelt werden? Was wird getan, um Natur- und Umweltbildungsangebote zu

verbessern?


Welche Möglichkeiten sehen Sie, die landwirtschaftlichen

Betriebe bei der Umsetzung naturschutzkonformer Ziele zu

unterstützen? Welche Kriterien sollen für die Bewirtschaftung

und Verpachtung von Flächen im Eigentum der Kommune

gelten?


Wie werden Sie Unternehmen auf ihrem Weg zu mehr

Nachhaltigkeit unterstützen?


Welche Maßnahmen zum Klimaschutz sollen zügig umgesetzt

werden, um in Ihrem Wirkungsbereich die Ziele des Pariser

Klimaabkommens zu erreichen?


Wie wird Ihrerseits ein wirksamer Beitrag zur Energiewende

stattfinden? Schlägt sich dies in einer verbindlichen

Regionalplanung und einem örtlichen Klimamanagement

nieder?


Welche Schwerpunkte setzen Sie bei der Förderung einer

umwelt- und sozialverträglichen Mobilität?


Welche Zukunftsprojekte liegen Ihnen besonders am Herzen?

Andrea Lange


"Erhalten lässt sich nur was man kennt." Eine wichtige Voraussetzung für den Erhalt der Biodiversität ist also zuerst die Erfassung, daraus abgeleitet können in Entwicklungsplänen Maßnahmen benannt werden, die z.B. auf stadteigenen Flächen umgesetzt werden können.

 

Der Erhalt der Biodiversität ist auch ein Teil der kommunalen Daseinsvorsorge. Bei der Aufstellung von Bebauungsplänen werde ich mich dafür einsetzen, vermehrt Festsetzungen aufzunehmen, die etwa die Verwendung von standortgerechten, heimischen Gehölzen vorsehen. Inzwischen sind Siedlungsgebiete oft Rückzugsorte für Arten, die in der Agrarlandschaft keinen Lebensraum mehr finden. Die Stadt trägt eine wichtige Verantwortung in ihrer Art der Bepflanzung und des Grünflächenmanagements.

Das bereits eingeführte Mähkonzept stellt ebenfalls einen Baustein dar. Das Mähkonzept ist unter Beachtung der zwischenzeitlich erworbenen Erkenntnisse weiter fortzuschreiben. 


Der Grund für das Insektensterben liegt im Verlust von Nahrung und Lebensraum. Will man dem Insektensterben entgegenwirken, muss hier gegengesteuert werden. Maßnahmen wie der Erhalt von Grünland, Streuobstwiesen, sowie ausreichend breite Schutzstreifen an Gewässern werden den Schutz von Insekten stärken.

Das 2017 vom Stadtrat beschlossene Projekt "Hier blüht euch was!" ist ebenfalls ein Baustein zum Schutz von Insekten, das weiter fortzuführen ist. Selbst ein Balkon in einem Mehrfamilienwohnhaus kann seinen Beitrag zum Schutz von Insekten leisten; etwa durch die Wahl der richtigen Beleuchtung und Wahl richtiger Balkonpflanzen. 


Im April diesen Jahres hat die Stadt Rinteln für die Dauer von 2 Jahren die Stelle eines Sachbearbeiters für den Bereich "Kommunaler Natur-,Umwelt -und Klimaschutz bereits ausgeschrieben. Für die Umsetzung von mehr Arten -und Umweltschutz ist die v.g. Stelle unbedingt notwendig.


Auch hier gilt: Man kann nur das schützen was man kennt. Ich werde mich dafür einsetzen, dass die Menschen in unserer Stadt niederschwellig Zugang zu mehr Natur- und Umweltkompetenz erhalten. Das Mitmach-Projekt der Stadt Rinteln - unter Schirmherrschaft des Rintelner Bürgermeisters - ist ein Beispiel, wie Informationen niederschwellig kommuniziert werden und neue Kompetenzen erlangt werden können. Aktionspläne und Mitmachprojekte dieser Art unterstütze ich.  


Die Art der Bewirtschaftung von landwirtschaftlichen Nutzflächen erzeugt  einen Mehrwert für Natur und Artenvielfalt und sollte im Interesse der Biodiversität vielfältig gestaltet werden. Landwirtschaft, Naturschutz und Politik haben sich bereits mit der Vereinbarung zum "Niedersächsische Weg" verpflichtet, konkrete Maßnahmen für einen verbesserten Natur-, Arten- und Gewässerschutz umzusetzen. Der "Niedersächsische Weg" hat Vorbildcharakter.

 

Die rechtlichen Schritte der Verpachtung von stadteigenen Flächen werden von der zuständige Stelle der Verwaltung durchgeführt. Der Rat der Stadt Rinteln kann - durch entsprechenden Beschluss - die Verwaltung weiter anweisen, Flächen nur an die Pächter zu vergeben, die bestimmte Kriterien erfüllen: z.B. die Flächen nach Maßgabe des ökologischen Landbaus zu bewirtschaften oder auf den Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel nach Möglichkeit zugunsten biologischer Maßnahmen zu verzichten.

Bei der Bewirtschaftung und Verpachtung von Flächen im Eigentum der Stadt Rinteln ist die Verwendung von Glyphosat bereits heute ausgeschlossen.

 

Bei der Aufstellung weiterer Bewirtschaftungsvorgaben von Flächen im Eigentum der Stadt Rinteln bzw. Änderungen von Bewirtschaftungsvorgaben werde ich Landwirtschaft, Naturschutz und Politik frühzeitig in die Planungsprozesse mit einzubeziehen. Den Landwirten ist Gelegenheit zu geben, sich selbstständig einzubringen. 


Ich werde mich dafür einsetzen, dass unsere Unternehmen in Zukunft noch mehr als bisher durch unsere Stadtwerke bei der Umstellung auf Ökostrom aktiv beraten und unterstützt werden. Auch bei den technischen Herausforderungen, die durch die betriebsinternen Aufbau einer Ladeinfrastruktur oder die Einspeisung von Photovoltaikstrom ins Stromnetz entstehen, sehe ich unsere Stadtwerke als ersten Ansprechpartner für unsere Unternehmen. Gleiches gilt auch für die Beratung zu den zahlreichen Förderprogrammen.

Die Stadt Rinteln kann darüber hinaus über ihre Wirtschaftsförderung auch Unternehmen mit Anregungen zum nachhaltig orientierten Wirtschaften unterstützen. Die Wirtschaftsförderung kann dabei eine Art Initiator für die Unternehmen sein.

Ein Vorangehen der Stadt Rinteln für kommunale Nachhaltigkeit schafft grundsätzlich auch Bereitschaft für das Mitgehen der Unternehmen.  


Entscheidend ist für mich ein schneller Ausbau der Produktion von klimaneutraler Energie. Wir haben keine Zeit mehr für falsche Entscheidungen. Die öffentliche Hand muss da vorangehen. Für mich bedeutet das, dass wir die Dächer unserer städtischen Gebäude grundsätzlich zur Stromproduktion nutzen. Dazu bedarf es eines langfristig angelegten Ausbauprogramms. Wir müssen aber auch in unseren Bebauungsplänen vermehrt festschreiben, dass die Dächer auf unseren Neubauten zur Stromgewinnung genutzt werden. Ich werde auch mit den Eigentümer*innen unserer Rintelner Wasserflächen darüber sprechen, ob sie auf ihren Gewässern nicht mit Hilfe von schwimmenden Photovoltaikanlagen kleine Kraftwerke entstehen lassen wollen.


Neben der Produktion von klimaneutraler Energie steht für mich die Verbesserung der Energieeffizienz in unseren öffentlichen Gebäuden im Vordergrund. Den besten Klimaschutz bringt nun einmal die Energie, die nicht verbraucht wird. Wie zuvor bereits erwähnt, Zeit für große Pläne haben wir nicht mehr. Wir wissen alle, was zu tun ist, damit wir unsere Klimaziele erreichen. Es ist Zeit, konkret zu handeln.


Eine wesentliche Aufgabe sehe ich auch in dem Ausbau einer öffentlichen Ladeinfrastruktur für die Elektromobilität. Erster Ansprechpartner sind da für mich unsere Rintelner Stadtwerke. Da die Stadt Rinteln Gesellschafter bei der VBE ist, werde ich mich in den Gremien dieser Verkehrsgesellschaft für den Einsatz von Elektrobussen im öffentlichen Personennahverkehr einsetzen. Radverkehr ist für mich klimafreundliche Mobilität. Wir sollten daher unser innerstädtisches Radwegenetz noch weiter ausbauen. Insbesondere bei den Verbindungen zwischen unseren Ortsteilen ist da noch Luft nach oben.


Die Zukunftsfähigkeit unserer Stadt hängt davon ab, ob wir beim Klimaschutz und dem Ausbau unserer digitalen Infrastruktur massiv umsteuern. Ein Zögern verbietet uns schon unsere Verantwortung vor unseren Kindern.

Doris Neuhäuser


Die Artenvielfalt soll unbedingt gefördert werden. Dies geschieht u.a. durch die Bewahrung und Schaffung von Naturräumen (Naturschutzgebiete, Landschaftsschutzgebiete, etc.),  in denen die verschiedenen Arten leben und sich entwickeln können. Auf den Landkreis Schaumburg, Amt für Naturschutz, wird eingewirkt, diese Aufgabe in Rinteln intensiv wahrzunehmen. Zusätzlich werden in allen Bereichen, in denen die Stadt selbst handeln kann, entsprechende Bereiche und Flächen für verschiedene Arten verstärkt und in Zusammenarbeit mit dem NABU zur Verfügung gestellt. Baurechtliche Vorgaben in den Bebauungsplänen werden erfolgen, z.B. Anlegung von Grün- und Blühstreifen, Verbot von Schottergärten etc. ..

 

Die Stadt Rinteln beschäftigt neuerdings eine Klimaschutzbeauftragte. Deren Aufgabe wird die Entwicklung und Planung der Umsetzung von weiteren Möglichkeiten sein. Ein Rintelner Klimaschutzweg mit allen Möglichkeiten vor Ort wird entwickelt.


Anlage von Blüh- und Grünstreifen, Schutz naturbelassener Flächen, Vermeidung bzw. Verbot von Pestiziden auf städtischen Flächen, Prüfung des gesamten Stadtgebiets durch die Klimaschutzbeauftragte in Verbindung mit dem NABU auf weitere Möglichkeiten.


Die Stadt Rinteln  beschäftigt eine Klimaschutzbeauftragte und beabsichtigt dies für einen Bienenbeauftragten. Notwendige Haushaltsmittel, z.B. für das Mähkonzept, werden zur Verfügung gestellt. Dies ist im Einzelfall von den politischen Gremien zu entscheiden.

Im weiteren Verlauf stelle ich mir einen Einsatz eines Fachmanns bei den städtischen Gärtnern vor, der die städtischen Flächen mit ökologischem Blick betrachtet und dort konkret die Umsetzung plant und überwacht. Kiesbeete müssen zeitnah zurück gebaut werden.

Die planungsrechtlichen Voraussetzungen können durch das vorhandene Fachpersonal in Verbindung mit der Klimaschutzbeauftragten und den Planungsbüros erfolgen.


Ich plane Informationsveranstaltungen, Beratungsangebote im  Rathaus und vor Ort.

Im Übrigen sind hier das Naturschutzamt, ehrenamtliche Träger wie der NABU und die Schulen zu beteiligen. Ein Netzwerk ist aufzubauen und  eine ständige enge Zusammenarbeit muss erfolgen.


Es werden Beratungs- und Netzwerkarbeit erfolgen.

Hinsichtlich Bewirtschaftung und Verpachtung von Flächen wird der Einsatz von Pestiziden verboten.


Es werden Beratungs- und Netzwerkarbeit erfolgen. Sonderkonditionen durch die Stadtwerke sind zu prüfen. Ausschreibungen werden mit Klimaschutzaspekten versehen.


Alle diejenigen, die in Rinteln sinnvoll sind und zügig starten können, z.B. Anbringung von Solaranlagen auf städtischen Dachflächen, Prüfung der Ausweisung einer Konzentrationszone für Windenergieanagen in einem Bereich mit hoher Windausbeute, Umstellung des städtischen Fuhrparks auf Elektroautos, Förderung regenerativer Energien bei Neubauten. Der Rat hat bereits eine jährliche Senkung der CO2-Bilanz des Gesamtkonzerns Stadt Rinteln beschlossen und den Verwaltungsvorschlag deutlich verschärft.


Die Regionalplanung obliegt nicht der Stadt Rinteln. Soweit die Stadt Rinteln Handlungsmöglichkeiten hat, werden sie ergriffen, um die Klimawende zu fördern. Selbstverständlich findet ein örtliches Klimamanagement statt, u.a. dafür ist Klimaschutzbeauftragte eingestellt worden. Der Rat hat bereits eine jährliche Senkung der CO2-Bilanz des Gesamtkonzerns Stadt Rinteln beschlossen und den Verwaltungsvorschlag deutlich verschärft. Ausschreibungen der Stadt finden unter Klimaschutzaspekten statt.


Umstellung des städtischen Fuhrparks auf Elektrofahrzeuge – soweit möglich -, Einwirkung auf Busunternehmen auf Umstellung der Fuhrparks, Einsatz kleiner Fahrzeuge bei Busunternehmen in weniger genutzten Bereichen, Ausbau Fahrradwege, Ausschreibung öffentlicher Aufträge auch mit Klimavorgaben.


Erstellung eines Klimaschutzkonzeptes mit kurz-, mittel- und langfristigem Zeitplan für die Stadt Rinteln mit Erfassung aller Möglichkeiten, die wir vor Ort konkret ergreifen können.



Anmerkungen von Doris Neuhäuser:

Der Wille, die Einstellung und das Bekenntnis zum Klimaschutz sind meines Erachtens nicht in Antworten auf einzelne Fachfragen zu messen. Klimaschutz umsetzen zu wollen, ist für mich eine Lebenseinstellung, eine ethische Grundhaltung. Ich möchte das Klima schützen und habe Respekt vor den Lebewesen und der Natur als solcher. Dies alleine schon deshalb, weil ich auch Verantwortung für meine Kinder trage. Mit dieser Grundeinstellung  bewerte ich die verschiedenen Möglichkeiten der Stadt Rinteln und schaffe Handlungsmöglichkeiten immer dort, wo sie umsetzbar sind.

 

Aus den bisherigen Kontakten mit mir wissen Sie bereits, dass mir dafür die notwendigen Rechtskenntnisse zur Verfügung stehen und dass ich auch in der Vergangenheit schon bereit war, dieses rechtliche Instrumentarium in Gänze zum Wohle der Stadt Rinteln einzusetzen. Es ist ein Grundzug meiner Persönlichkeit, der nicht für die anstehende Wahl gerade mal erfunden wird. Ich lebe diese Haltung schon immer, auch privat, und das wird sich nicht ändern, wenn ich Bürgermeisterin werde, sondern ich kann es dann für die Stadt Rinteln noch besser – in einem größeren Wirkungsbereich – umsetzen.