"Tschüs, mein kleiner Doppeldecker!"

Wie Jakob, Marie, Tim und Ronja ein paar Kröten und Molchen das Leben gerettet haben


Rinteln (jan). Jakob, Marie, Tim und Ronja, alle im Alter zwischen fünf und sechs, sind mit ihren Müttern und Dr. Svenja Niedorf am Waldkater gewesen, um Kröten und Molche zu retten. Die Kinder haben gelernt, wozu ein Krötenschutzzaun da ist, wie lange die Amphibien in den Fangeimern sitzen und wie man sie wieder aussetzt.

 

Rinteln. „Da hinten sind zwei drin!“, ruft Jakob den anderen zu, und die Kinder stieben los, als wüssten sie genau, was hier zu tun ist. „Der Eimer da! Da sind zwei drin! Die hocken aufeinander!“ Marie ist ganz aufgeregt. Kein Wunder, gilt es doch kleinen, hilflosen Tieren das Leben zu retten.


Jakob (nicht im Bild) und Tim (re.) zeigen Marie (li.) und Ronja ein Erdkrötenpaar. Svenja Niedorf erzählt, dass die Naturschützer „Doppeldecker“ dazu sagen. - Foto: Jan Oldehus
Jakob (nicht im Bild) und Tim (re.) zeigen Marie (li.) und Ronja ein Erdkrötenpaar. Svenja Niedorf erzählt, dass die Naturschützer „Doppeldecker“ dazu sagen. - Foto: Jan Oldehus

Die Mütter von Jakob, Marie und Tim haben den Kindern natürlich erzählt, was hier für sie zu tun ist. Hier am „Waldkater“ verläuft zwischen dem Waldrand und der kleinen Straße, die zum Hotel-Restaurant führt, ein langer dunkelgrüner, für Menschen sehr niedriger, aber für kleine Tiere sehr hoher Zaun. „Ja, weiß ich, ein Krötenzaun, für die Kröten!“ Klar wissen die Kinder, dass das ein Krötenzaun ist. „Da hinten sind auch noch Eimer!“ Also los, immer am Krötenzaun entlang, ein Stück in den Wald hinein.

 

„Jakob, bleib hier, wir warten noch auf Frau Niedorf!“ ruft die Mutter von Jakob noch, da kommt Frau Niedorf auch schon im Auto angefahren, gerade als Jakob, Marie und Tim bereits in den zweiten ganz nah am Zaun in den Waldboden eingebuddelten Eimer gucken. „Da sind auch welche drin, da sind auch welche drin!“ ruft Marie.


Dr. Svenja Niedorf ist Tierärztin und aktive Naturschützerin. Sie bringt ihre kleine Tochter Ronja mit und vor allem erst mal ein bisschen Ruhe und Ordnung in die aufregende Angelegenheit. „Magst Du mal die beiden ganz vorsichtig aus dem Fangeimer nehmen?“, sagt sie zu Marie. Die zieht einen ihrer blauen Handschuhe aus und befördert das Krötenpärchen mit angehaltenem Atem auf die andere Hand, die noch im Handschuh steckt.

 

„Das ist ein Doppeldecker“, schmunzelt Frau Niedorf, „so nennen wir das, wenn der kleine Erdkrötenmann auf der größeren Erdkrötenfrau sitzt.“ Sie hatte die Kinder im Alter zwischen fünf und sechs Jahren, bei der Naturschutzjugend vom Nabu Rinteln „Minis“ genannt, zur Krötenrettungsaktion eingeladen. Dabei ist es eigentlich noch zu kalt dafür.


Marie hat ein Erdkrötenpaar aus einem Fangeimer auf ihren Wollhandschuh gesetzt. Die Fangeimer werden täglich vom Nabu kontrolliert. - Foto: Jan Oldehus
Marie hat ein Erdkrötenpaar aus einem Fangeimer auf ihren Wollhandschuh gesetzt. Die Fangeimer werden täglich vom Nabu kontrolliert. - Foto: Jan Oldehus

„Die Kröten und Molche, die da oben im Wald leben, machen sich eigentlich erst in Scharen auf den Weg, wenn die Temperaturen nachts bei mindestens 5 Grad liegen. Und wisst Ihr auch, wohin sie dann laufen?“ Tim weiß das: „Zum Wasser.“ Genau, und deshalb haben die Naturschützer nämlich den Krötenzaun genau hier aufgestellt – weil wenige Meter unterhalb der schmalen Straße Tümpel sind und weil die Kröten und Molche im Frühjahr aus dem Wald herunterkommen und über die Straße laufen würden, um zu den Tümpeln zu gelangen. „Viele von ihnen werden dabei jedes Jahr von Autos überfahren“, sagt Frau Niedorf, und Jakob, Marie, Tim und Ronja werden für einen Moment ganz still.


„Und was machen die Amphibien, wenn sie im Wasser sind?“ fragt Frau Niedorf aufmunternd. „Die legen da Eier.“ Diesmal ist es Jakob, der genau Bescheid weiß. Und dann zeigt Frau Niedorf den Kindern noch einen Molch, der auch im Eimer war. Ganz winzig und zerbrechlich sieht er aus. „Willst Du den mal auf die Hand nehmen, Jakob?“ Nein, heute nicht. „Aber Du, Tim?“ Tim lässt sich den Mini-Lurchi auf die nackte Hand setzen. „Ganz schön glitschig.“ „Aber nein, überhaupt nicht, fühl doch mal …“ Tim streicht dem Molch vorsichtig über den Rücken und lächelt. Überhaupt nicht. Dann erzählt Frau Niedorf den Vieren noch, wie die Amphibien sich vor der Hochzeit im Wasser schön machen und wie viele unterschiedliche Arten es von ihnen gibt und dass sie nur in Gewässer gehen, in denen keine Fische sind, und dass die Babys Kaulquappen und Larven heißen.

 

„Wir wollen jetzt die Kröten und Molche aus den Fangeimern nehmen und sie weiter unten, auf der anderen Seite der Straße, bei den Tümpeln wieder aussetzen“, sagt die Naturschützerin. Die Kinder haben sich inzwischen ein bisschen beruhigt und rascheln mit den Fingern vorsichtig im Laub, das in den Eimern liegt und in dem sich die Amphibien verstecken, die dort hinein geplumpst sind auf ihrer Suche nach einem Schlupfloch im Zaun. „Der Zaun ist extra für die sehr kleinen und seltenen Molche gemacht. Um die geht es uns hier in erster Linie“, erläutert Svenja Niedorf. Molche und Kröten kommen in den Tümpeln unterhalb des Waldkaters zur Welt, machen sich dann auf den Weg hinauf in den Wald und kehren jedesmal zum Laichen zurück zu ihrer Geburtsstätte. Ob sie dann nicht die Orientierung verlieren, wenn die Kinder sie über die Straße tragen? „Nein“, sagt die Tierärztin beim Hinuntergehen, „die Tiere finden immer ihr Ziel.“ Instinkt? Eingebauter Kompass? Sechster Sinn? Man weiß es nicht.


Nun ist es Zeit, Abschied zu nehmen. Ronja nimmt das Krötenpärchen aus ihrem Transporteimer und setzt es ins nasse Gras. „O, ich will noch etwas zum Abschied sagen: Tschüs, mein kleiner Doppeldecker!“

 

Die nachtaktiven Amphibien werden noch bis zum Abend da ausharren, wo die Kinder sie hingesetzt haben, aber sie sind wenigstens vor den Autos in Sicherheit. „Wir haben ihnen das Leben gerettet“, sagt Marie, und Ronja, Tim und Jakob sind bestimmt auch ein kleines bisschen stolz darauf.

 

Autor: Jan Oldehus

Artikel aus der Schaumburger Zeitung vom 28.03.2016