Vom Andrang überrollt, doch dann bröckelt es

Spaziergang durch Geschichte und Natur: Projekt von Heimatbund und NABU ermuntert zu neuen Taten


Dr. Petra Sittig, Vorsitzende des NABU-Kreisverbands, erläutert die Bedeutung von Hecken als „blühende Lebensadern“. - Foto: Kathy Büscher
Dr. Petra Sittig, Vorsitzende des NABU-Kreisverbands, erläutert die Bedeutung von Hecken als „blühende Lebensadern“. - Foto: Kathy Büscher

Hohenrode (jhü). „Das ist sozusagen ein Salatbaum“, erklärt Kräuterkundlerin Birgit Brinkmann. Sie meint die alte Linde, die neben der Kirche in Hohenrode steht. Die Blüten und Blätter seien essbar. Wie so vieles an diesem Nachmittag – vom Blütenblatt des Klatschmohns über die Buchecker (geröstet als Kaffee-Ersatz) bis hin zum Mehldorn, aus dessen zerriebenen Fruchtinneren sich sogar Brot backen lässt. Oder wie wäre es mit den Fruchtanhängseln der Brennnessel, vorsichtshalber mit Handschuhen gepflückt? „Die haben aphrodisierende Wirkung“, verspricht Brinkmann.


Es ist ein Spaziergang durch Geschichte und Natur, Auftakt einer neuen Veranstaltungsreihe von Naturschutzbund Deutschland (Nabu), Ortsgruppe Rinteln, und Heimatbund der Grafschaft Schaumburg. Über 40 Teilnehmer kommen zur alten Hohenroder Kirche – weit mehr als erwartet. Es ist kühl und sonnig – gutes Wanderwetter also. Zwei Stunden sind geplant. Museumsleiter Stefan Meyer erzählt deshalb nur kurz etwas zur Geschichte der Kirche, hinein geht es aus Zeitgründen nicht, sondern nach wenigen Minuten hinauf in Richtung Hünenburg.

 

Zwei der Teilnehmer sind Hildburg und Eberhard Kluge aus dem Auetal. „Man kennt zwar die Heimat“, sagte Frau Kluge „aber so lernt man noch gezielter etwas über Pflanzen und Geschichte. Und die Bewegung dabei ist doch toll.“


Nick Büscher, 1 Vorsitzender des NABU Rinteln, erläuert die Projekte auf der Streuobstwiese. - Foto: Kathy Büscher
Nick Büscher, 1 Vorsitzender des NABU Rinteln, erläuert die Projekte auf der Streuobstwiese. - Foto: Kathy Büscher

Auf dem Weg bergan wird immer wieder angehalten – zum Verschnaufen und Sinne für die Umgebung schärfen. Viele Blüten und Pflanzen wachsen am Wegrand, Birgit Brinkmann weiß zu fast allen etwas zu erzählen. Brennnesseln, Eisbegonien, Mohn und Nachtkerze – all das könne man essen und so seine Gesundheit fördern, der Vitalstoffe wegen. Damit fesselt Brinkmann die Zuhörer, die staunen, was bisher alles aus Unkenntnis nicht auf ihrem Speiseplan steht. So auch Brunhild Hene. „Es lässt sich essen“, sagte sie, als sie von den Blüten der Eisbegonie nascht. „Eher säuerlich, die Blüten der Nachtkerze sind da süßer“, erklärt Brinkmann.


Petra Sittig, Vorsitzende des Nabu-Kreisverbands, erläutert – aufschlussreich, aber ziemlich langatmig – die Bedeutung von Hecken als „blühende Lebensadern“. Der Weißdorn, die Heckenrose und die Schlehe sind voller Kleintierarten und Mythen, so Sittig, im Gegensatz zur Thuja-Hecke nebenan, die heute oft gepflanzt wird, weil sie schnell hoch wächst und so für Sichtschutz sorgt. Mehr aber auch nicht.

 

Alfred Schneider, Experte in Wald und Forst, greift zu Buchecker und Eichel. „Immer, wenn ich mal im Wald spazieren bin, esse ich so fünf Bucheckern, mehr aber auch nicht, denn sie enthalten viel Fett, und das ist sehr verdauungsfördernd.“ Aus Eicheln könne man zum Beispiel einen guten Kaffee machen. Doch Eichen gebe es nur noch wenig in den Wäldern, ihr Holz dafür überall in den Fachwerkhäusern – weil stabil und schwer entflammbar.

 

Nahe der Schlingbornquelle zeigt Meyer den Schaumburger Diamanten, reicht ihn herum und erzählt, das wegen diesem zahlreiche (Hobby-)Geologen hierherkommen und buddeln. Dabei liegt der Wert selbst schöner Steine kaum über 50 Euro.

 

Endlich ist die Hünenburg erreicht, tiefe Gräben und ein Rest von Mauerwerk. Hier soll einst der Graf von Rohden residiert haben, dem sein Rivale von der Schaumburg den Garaus machte. Zwei Stunden sind rum, die Reihen lichten sich, noch dazu, wo nun ein steiler Abstieg beginnt, nicht geeignet für viele der meist älteren Teilnehmer. Und die Ersten haben noch andere Termine, kehren um.


Nick Büscher, 1 Vorsitzender des NABU Rinteln, erläuert die Projekte auf der Streuobstwiese. - Foto: Kathy Büscher
Nick Büscher, 1 Vorsitzender des NABU Rinteln, erläuert die Projekte auf der Streuobstwiese. - Foto: Kathy Büscher

 

Am Ende können sich die Wanderer auf der Streuobstwiese umschauen. Hier gibt es für alle Hagebuttentee mit Honig und frische Gravensteiner Äpfel von der Wiese. „Äpfel, Wolle und Honig“ finde man hier, erzählt Nabu-Vorsitzender Nick Büscher: „Mit dieser Wiese wollen wir dem kulturhistorischen Verlust alter Obstsorten entgegenwirken.“ Eine eigene Imkerei sorgt für nötige Bestäubung, und Skudden halten das Gras kurz. Diese Kleinschafe waren Anfang der achtziger Jahre vom Aussterben bedroht, weil ihr Fleisch für die Massentierhaltung wenig rentabel ist.

 

Und was haben die Besucher mitnehmen können? „Also dass man so vieles direkt aus der Natur essen kann, hätte ich nicht gedacht“, erzählte Brunhild Hene. Eberhard Kluge bewunderte das Engagement des Nabu mit der Streuobstwiese. Seine Frau Hildburg konnte es gar nicht in Worte fassen, soviel habe sie gelernt. Hene fügt noch hinzu: „Nur, dass man doch besseres Schuhwerk braucht, für so eine Wanderung hoch zur Burg, das hätten wir eigentlich vorher wissen müssen.“


Die Organisatoren wollen nun die Erfahrungen auswerten und neue Veranstaltungen planen. Dazu wurden sie beim Abschluss auch oft ermuntert von dem verbliebenen Dutzend Mitwanderer – allerdings mit der dringenden Bitte um mehr Zeitdisziplin.

 

Artikel aus der Schaumburger Zeitung vom 25. September 2012