Vom Kampfgebiet zum Breitensport

Seeadler, Seeschwalben und Ziegen: Eine Führung durch die Auenlandschaft Oberweser


Hohenrode. Das Wort fällt nach der Hälfte der Führung, und es belegt, wie weit der Weg war, den der Naturschutz mitsamt der Gesellschaft in den letzten 30, 40 Jahren zurückgelegt hat. Stacheldraht-Naturschutz, so heißt das Wort, Nick Büscher sagt es, und er erzählt, dass vor drei oder vier Jahrzehnten genau so der Naturschutz praktiziert worden sei: Der Nabu habe ein Gelände gekauft, es mit Stacheldraht umzäunt und dann niemanden mehr reingelassen. Und die Menschen hätten sich gesagt, da macht der Nabu jetzt, was er will. Und sie hätten sich ihren eigenen Weg in die stacheldrahtgesicherte Natur gesucht.


Auf der Weide am Stichweg konnten Graugänse beobachtet werden. - Foto: Kathy Büscher
Auf der Weide am Stichweg konnten Graugänse beobachtet werden. - Foto: Kathy Büscher

Dieser Naturschutz sei ein Weg, den man schon lange nicht mehr gehen könnte, sagt Büscher, heute müsse es transparent zugehen; die Menschen müssten wissen, was der Nabu macht, und sie müssten es sich ansehen können.

 

Hohenrode ist natürlich ein Paradebeispiel. Und ein Glücksfall, denn der Kiesunternehmer Dieter Eggersmann habe hier der Natur etwas zurückgeben wollen und habe dafür auf viel Geld verzichtet, denn die Angelverbände, die ebenfalls an einem Kauf interessiert waren, die könnten natürlich ganz andere Summen zahlen, erklärt Büscher. Und sie seien schnell, sehr schnell. „Da sind die Vorverträge schon aufgesetzt, wenn die Kuhle noch gar nicht ausgebaggert ist.“ In Hohenrode sei dies anderes gelaufen, „hier hat der Mensch eingegriffen und hat dann der Natur etwas zurückgegeben, und jetzt entsteht hier etwas“.


Natürlich seien Hohenroder anfangs etwas skeptisch gewesen, aber heute würden hier viele Menschen leben, die die Auenlandschaft Oberweser durchaus auch als „ihr“ Projekt mitbetrachten würden.

 

Der Rintelner Nabu-Vorsitzende bleibt stehen und weist auf zwei große Flöße, gebaut in Aurich, weil dort Experten sitzen, die wissen, was die Flussseeschwalbe, die hier zum Brüten eingeladen wird, bevorzugt: Perlkies als Untergrund. Dann können sie ihre Nister bauen und ziehen ihre Jungen auf, „und zwar ganz in Ruhe“, sagt Büscher, ungestört vom Menschen. Die ersten Bruterfolge haben sich eingestellt, „die erste Brut an der Oberweser seit 100 Jahren“, meint Büscher, und die Tiere werden zu einem gewohnten Anblick werden: Sie wechseln zwar ihre Brutpartner, aber nicht ihre Brutplätze, sie sind standorttreu. Die Flöße seien eine Maßnahme, die funktioniert habe, sagt Büscher, man müsse halt Geduld haben.


Das Hochwasser hat den Rundweg überspült. - Foto: Kathy Büscher
Das Hochwasser hat den Rundweg überspült. - Foto: Kathy Büscher

Dann klappt es auch mit dem Fischadler: Der aufgestellte Horst ist noch verwaist, aber hier wird bald gebrütet, ist sich Büscher sicher, denn drei der etwa zehn niedersächsischen Fischadlerpaare brüten in lediglich 30 bis 40 Kilometer Entfernung am Steinhuder Meer, welches wiederum zu den bekanntesten Schutzgebieten Niedersachsens gehört. Denn die Weser ist für den Vogelzug eine bedeutende Leitlinie. Zahlreiche Vogelarten ziehen entlang dieser Geländemarke nach Norden, beispielsweise Kraniche, Gänse, Enten, selbst Seeschwalben und Fischadler. Deswegen haben sich die Gewässer der Auenlandschaft schnell zu einem wichtigen Rast- und Überwinterungsgebiet entwickelt.


Und der Seeadler ist ja schon hier, er hat sich am Waldesrand eine alte Kiefer gesucht, auf der er den Nachwuchs hochziehen will. Das ist zwar ein bisschen mühselig, erklärt Büscher, weil das Tier die Nahrung 250 Meter weit zum hungrigen Nachwuchs hoch schleppen muss, aber die Weiden in der Auenlandschaft sind ihm noch nicht hoch genug, also nimmt er die Kiefer und den weiteren Anflug.


Dr. Büscher erklärt das Beweidungskonzept. - Foto: Kathy Büscher
Dr. Büscher erklärt das Beweidungskonzept. - Foto: Kathy Büscher

Was früher eine Allerweltsart war, ist heute selten geworden, sagt Büscher und meint damit die Feldlerche. Daher werden die Felder ihr jetzt überlassen, seit Dezember sind Esel, Galloways und Ziegen drinnen, und bei dem Gedanken an die Ziegen huscht ein Lachen über Büschers Gesicht: „Die fressen alles, wirklich alles, bis hin zum Jackenknopf.“

 

90 Minuten dauert die Führung, angeboten wird sie in jedem „geraden“ Monat, am ersten Sonntag um 11 Uhr. Und natürlich kann man die Auenlandschaft auch so besuchen und begehen, die Wege sind öffentlich, und Büscher lädt ausdrücklich zum Besuch ein, denn nur, was man kennt, will der Mensch auch bewahren, und in Hohenrode könne man Hecken erleben, Grünland, Gewässer. Denn einst habe man vielleicht Stacheldraht-Naturschutz praktiziert, sei Naturschutz ein Kampfgebiet gewesen, heute sei der Naturschutz anders aufgestellt, denn heute sei Naturschutz ein Breitensport.


Die Weiden werden noch wachsen und die Wege blickdicht säumen, dafür wird es dann einen Aussichtsturm für Besucher geben, erklärt Nick Büscher (kleines Bild) während der Führung durch die Auenlandschaft Oberweser.

 

Autor: Frank Westermann

Artikel aus der Schaumburger Zeitung vom 09.02.2016