Wo Fischadler und Seeadler Nachbarn sind

Vogelreiche Exkursion des NABU am Steinhuder Meer / Diplom-Biologe Thomas Brandt berichtet von Artenschutzerfolgen


Schwer bewaffnet: Mit Profiausrüstung oder normalem Fernglas gab es hier für jeden was zu sehen. - Foto: Kathy Büscher
Schwer bewaffnet: Mit Profiausrüstung oder normalem Fernglas gab es hier für jeden was zu sehen. - Foto: Kathy Büscher

Das Wetter hätte nicht besser sein können, als sich am sonnigen Maimorgen interessierte Naturliebhaber auf den Weg zur Ökologischen Schutzstation Steinhuder Meer (ÖSSM) aufmachten. Der Einladung des Naturschutzbundes Rinteln zur Seeadlerexkursion waren insgesamt 30 Naturinteressierte gefolgt, teilweise mit schwerem Equipment zum Fotografieren bepackt. An der ÖSSM in Winzlar angekommen, übernahm der Diplom-Biologe Thomas Brandt die Leitung der vierstündigen Exkursion. Brandt ist seit mittlerweile 17 Jahren als wissenschaftlicher Leiter der ÖSSM tätig und kennt die Gegend um das Steinhuder Meer „wie seine Westentasche“.


Von der Ökologischen Schutzstation ging es in das Naturschutzgebiet „Meerbruchwiesen“ und anschließend in das Naturschutzgebiet „Meerbruch“, von den überwiegend moorigen Böden der trocken gefallenen Bereiche des Steinhuder Meeres in extensiv bewirtschaftetes Grünland auf lehmigen Böden. Die Meerbruchwiesen stellen ein „Dreiländereck“ dar, wo insgesamt drei Landkreise aneinandergrenzen. Schaumburg, Nienburg und die Region Hannover sind für die Naturschutzgebiete zuständig, mit dessen Hilfe insbesondere durch Flächenkäufe viel für den Naturschutz getan werden konnte: Im Naturschutzgebiet findet eine extensive Bewirtschaftung statt, die durch eine große Vielfalt an Wiesenvögeln und Pflanzen für die Exkursionsteilnehmer sofort ins Auge sprangen. Denn dort, wo kein Nährstoffeintrag stattfindet und nicht zu früh gemäht wird, können sich Pflanzen, die magere Standorte bevorzugen, beispielsweise Margeriten, gut entwickeln. Und auch Wiesenvögel wie Kiebitze und Bekassinen finden auf extensiv bewirtschafteten Flächen einen günstigen Brut- und Lebensraum. „Umso wichtiger ist es, dass Wegraine und Wiesenflächen nicht zu früh und nicht zu oft gemäht werden – und dies gilt auch für die zahlreichen Lebensräume außerhalb der Naturschutzgebiete in unseren Städten und Dörfern“, wie Brandt betont.


Thomas Brandt von der ÖSSM informiert am Eingang zum Vogelbiotop über örtliche Begebenheiten. - Foto: Kathy Büscher
Thomas Brandt von der ÖSSM informiert am Eingang zum Vogelbiotop über örtliche Begebenheiten. - Foto: Kathy Büscher

Im Naturschutzgebiet wurde den Naturinteressierten der Exkursion ein vogelreiches Tableau geboten: Nicht nur Singvögel wie Nachtigall, Dorngrasmücke, Bluthänfling, Gelbspötter und Karmingimpel wurden an ihrem Gesang erkannt, sondern auch viele scheue und selten gewordene Wasservögel wie Silberreiher, Kampfläufer und Grünschenkel konnten mit der Hilfe von Ferngläsern und Spektiven gut beobachtet werden. Darüber hinaus flogen Schafstelze, Rauch- und Mehlschwalbe wie auch Sumpf- und Schilfrohrsänger durch das Kleinod am Steinhuder Meer. Und nach den relativ kleinen Vögeln steigerte sich die Exkursion schließlich bis zu den großen Vögeln – bis hin zum größten Greifvogel Europas.


Das Highlight der Exkursion brütet, fast unscheinbar auf einer Pappel mit trockener Krone, und konnte aus einer Entfernung von 300 Metern vom Rundweg aus beobachtet werden. So weit ist die Fluchtdistanz von Seeadlern, die am Steinhuder Meer brüten und zurzeit ihre Jungen großziehen: „Jede Störung der scheuen Greifvögel kann empfindlich sein und dazu führen, dass die Elterntiere ihr Nest verlassen. Wenn die Jungtiere noch sehr klein sind, werden diese zur leichten Beute für Krähe & Co.“, erläutert Brandt. Aus diesem Grund ist dem Diplom-Biologen zufolge auch eine sanfte Besucherlenkung durch die Meerbruchwiesen von großer Bedeutung. An zahlreichen Standorten wurden Aussichtsplattformen errichtet und Informationstafeln installiert, um auf Besonderheiten hinzuweisen und Beobachtungsmöglichkeiten anzubieten.


Kreisender Fischadler. - Foto: Kathy Büscher
Kreisender Fischadler. - Foto: Kathy Büscher

 

 

 

 

 

 

Und nicht genug, dass man das Seeadlerweibchen bei der Fütterung der Jungtiere auf dem Horst beobachten konnte: Auf der anderen Seite des Weges, sozusagen in der Nachbarschaft und ebenfalls in sicherer Entfernung, saßen die ebenfalls im Naturschutzgebiet Fischadler auf ihrem Nest. „Ein Erfolg des gezielten Einsatzes von Artenschutzmaßnahmen“, wie Brandt erläutert: Hier wurde vor einiger Zeit mit Hilfe des NABU ein künstlicher Horst für die selten gewordenen, fischfressenden Beutegreifer aufgestellt.


Überhaupt konnten sich die Naturliebhaber von dem Nutzen jahrzehntelanger kontinuierlicher Naturschutzmaßnahmen im Meerbruch überzeugen: Insgesamt sind im Bereich der Meerbruchwiesen 160 Teiche und Tümpel angelegt worden, die als Lebensraum für verschiedene Tierarten dienen. „Flache Teiche, die über den Sommer auch austrocknen dürfen, damit sich dort kein Fischbesatz halten kann, sind insbesondere für die seltenen Amphibienarten von großer Bedeutung“, so Brandt. Denn Fische fräßen deren Laich nur allzu gerne und es wäre schade um den Bestand von Grasfrosch, Kammmolch Laubfrosch – und dabei sind insbesondere die Artenschutzmaßnahmen für den Laubfrosch eine wahre Erfolgsgeschichte, konnten im vergangenen Jahr von dem bis dato ausgestorbenen „Froschkönig“ wieder mehr als 600 rufende Laubfroschmännchen festgestellt werden. Tiefe Gewässer dagegen sind wichtig für Wasservögel, die auf der Durchreise sind – denn dort dienen die darin lebenden Fische als Nahrung, an der sich die Rastvögel stärken, die auf dem Weg nach Skandinavien sind.