Über Vorhandenes und Verschwundenes staunen

Abendspaziergang im Klosterdorf führt zu einstiger Siedlung und Schaumburgs ersten Graffiti


Möllenbeck. Ein historischer und naturkundlicher Spaziergang kann zu manch neuer Entdeckung führen, vor allem wenn er, wie jüngst in Möllenbeck, so kundig von Rintelns Museumsleiter Stephan Meyer und vom leidenschaftlichen Hobbybotaniker aus den Reihen des Nabu, Eckhard Marx, begleitet wird.

 

In Möllenbeck kann man über Vorhandenes und Verschwundenes staunen. Zum Beispiel ist die ursprüngliche Siedlung, ein Oppidum (stadtähnliche Siedlung mit Marktfunktion), spurlos verschwunden. Das regt die Neugier und Fantasie von Mittelalterforschern ganz besonders an, bestätigen die mitwandernden Hobbyhistoriker des Heimatbundes, Willi Schirrmacher und Andreas Schmeiche.


Am Kloster geht der Abendspaziergang los. Die Leitung haben Stephan Meyer (r.) und Eckhard Marx (5. v. l.). - Foto: Claudia Masthoff
Am Kloster geht der Abendspaziergang los. Die Leitung haben Stephan Meyer (r.) und Eckhard Marx (5. v. l.). - Foto: Claudia Masthoff

Bei dem ebenso verschwundenen Kahlenberg, der lange das dörfliche Antlitz geprägt hat, weiß man hingegen genau, wohin er gegangen ist. Der fiel nämlich dem Kiesabbau zum Opfer. Auf einer Postkarte, die Meyer dabeihat, ist noch die Aussichtsbank vom Berg mit Blick auf das Dorf zu bewundern. „Wenn es die Bank heute noch gäbe, würde sie dort oben über den Baumwipfeln schweben“, zeigt Meyer an geeigneter Stelle, wie groß der Berg einmal gewesen ist.

 

Dass der Umgang mit Verschwundenem zum täglichen Brot eines Historikers gehört, wird an einer Ecke des Klosters deutlich. „Es gibt einen alten Grundrissplan von 1735, auf dem man deutlich sieht, dass es genau hier, wo jetzt die Feuertreppe für das Jugendheim gebaut ist, einen Anbau gegeben haben muss. Nun sind doch wirklich viele historische Zeichnungen des Klosters aus allen möglichen Zeiten erhalten. Doch eine, wo dieser Anbau drauf zu sehen ist, will sich partout nicht finden lassen. Ein Rätsel“, meint Meyer.


Doch gibt es auch viel Geschichtliches, das man heute noch zeigen kann. „Was Sie hier sehen, sind wohl Schaumburgs erste Graffiti“, schmunzelt Meyer an der Tür, die zur ehemaligen Lateinschule führt. In den großen Sandsteinen, die die Tür umrahmen, finden sich eingeritzte Buchstaben und die Jahreszahl 1603. „Da haben die Lateinschüler, die hier nach der Reformation 1563 bis 1631 unterrichtet wurden, wohl mal Langeweile gehabt.“

 

Auch heute noch nachvollziehbar sei der Verlauf alter Wege, erklärt der Historiker, während die interessierte Gruppe durch das Dorf wandert. So sei in Höhe der Straße „Die Reihe“ der historische Verbindungsweg zwischen Exten und Stemmen/Varenholz verlaufen. „Wege baute man damals am Hang und nicht in den Niederungen. Dort war es zu feucht. Sogar sehr steile Hohlwege sind früher gern genutzt worden. Wo abfließendes Regenwasser die Steine blank gespült hatte, wurde es nie matschig. Das machte in den Augen der Menschen damals den anstrengenden Aufstieg wett“, führt Meyer weiter aus.


Doch auch das Naturkundliche kommt beim Abendspaziergang nicht zu kurz. Dr. Marx versteht es, jedes Fleckchen Erde kundig und interessant vorzustellen. So erfahren die Spaziergänger etwas über Farnarten an alten Mauern, über Kameslandschaft und Magerwiesen, über die Zusammensetzung von Vorwäldern und über Pflanzengemeinschaften, die saure Böden mögen.

 

Spannend für Heimatfreunde: Möllenbecks Bach ist unter Wissenschaftlern recht bekannt. „Dieser Bach wurde in den fünfziger Jahren beispielhaft und gründlich von Limnologen, das sind Binnengewässerforscher, untersucht. Heute teilen die Limnologen das Schicksal von manchem Tier, das sie damals beobachtet haben. Sie stehen jetzt selbst auf der roten Liste“, bedauert Marx.

 

Wem in der Pro-und-Contra-Diskussiohn zum Kiesabbau noch gute Gründe für den Naturschutz fehlen, der kann im weiteren Verlauf der Wanderung seinen verbalen Waffenschrank mit frisch geschliffenen Argumenten bestücken. Marx hält mit seiner Kritik am Verkauf ganzer Landschaften nicht hinter dem Berg.

 

Zwei Stunden sind für den Abendspaziergang vorgesehen. Und während Museumsleiter Meyer sich redlich müht, den Fahrplan einzuhalten, fallen die Pflanzenfreunde immer mal wieder ein Stück zurück. „Du weißt doch, wie das ist mit den Botanikern, Stephan“, tröstete ihn Nick Büscher. „Die Pflanzen bewegen sich auch nicht.“

 

Artikel aus der Schaumburger Zeitung vom 10.07.2015