Windräder im Wesertal sorgen für Diskussion

NABU und Greenpeace Energy erläutern ihre Positionen / Zahlreiche Bedenken aus Sicht des Naturschutzes


Gäste und Referenten im Saal des Hotels Stadt Kassel. - Foto: Kathy Büscher
Gäste und Referenten im Saal des Hotels Stadt Kassel. - Foto: Kathy Büscher

Der FDP Ortsverband Rinteln veranstaltete einen Bürgerdialog im Hotel Stadt Kassel in Rinteln. Unter der Überschrift "Windkraft - Fluch oder Segen" kamen Interessierte zusammen, um den Ausführungen von Dr. Nick Büscher, Vorsitzender des NABU Rinteln, und Sönke Tangermann, Vorstandsmitglied von Greenpeace Energy, zu folgen. Als Moderator der anschließenden Diskussion fungierte Heiner Schülke, Vorsitzender des FDP-Ortsverbandes. Zu Anfangs erläuterte Klaus Fagin von der FDP grundlegende Informationen zur Windenergie anhand historischer Schlaglichter. Denn bereits um 1750 v. Chr. wurde das erste Windrad in Babylon erbaut. In Deutschland schritt die Entwicklung der Windenergie nach der Ölkrise im Jahr 1973 voran. Im Jahr 1983 wurde in Schleswig-Holstein ein zweiflügeliges und 100 Meter hohes Windrad gebaut, welches fünf Jahre später jedoch wieder abgerissen wurde. Im Jahr 1990 wurde das Stromeinspeisegesetz verabschiedet, zehn Jahre später das erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). „Im Jahr 1992 wurden die ersten getriebelosen Windräder erbaut, die besser und zuverlässiger als ihr Vorgänger liefen“, ergänzt Fagin. Bis Ende 2017 sind in Deutschland insgesamt 29 844 Windenergieanlagen errichtet worden. 


Die beiden Referenten: Links Sönke Tangermann von Greenpeace Energy, rechts Dr. Nick Büscher vom NABU Rinteln. - Foto: Kathy Büscher
Die beiden Referenten: Links Sönke Tangermann von Greenpeace Energy, rechts Dr. Nick Büscher vom NABU Rinteln. - Foto: Kathy Büscher

Im Anschluss legte Dr. Nick Büscher vom NABU Rinteln aus Sicht des Naturschutzes seine Position zum geplanten Windkraftprojekt im Wesertal dar. „Niedersachsen gehört zu den windkraftstärksten Bundesländern und wir fragen uns, wie viele Windenergieanlagen für Mensch und Natur verträglich sind“, gibt er zu bedenken. Denn, je höher die Dichte an Windrädern ist, desto höher ist auch das Konfliktpotenzial.Dieses hängt auch zusammen mit der mangelnden Bürgerbeteiligung. Die Energiewende könne nur gelingen, wennder Natur- und Artenschutz berücksichtigt werde, denn vor allem große Greifvögel und bestimmte Fledermausarten seien gefährdet. „Eine fehlende überregionale Raumplanung trägt maßgeblich zur Konfliktverursachung bei“, ergänzt Büscher. Erst im Nachhinein werde der Naturschutz berücksichtigt. Durch die Enge der Topografie des Wesergebirges sei der Bau von Windrädern schwierig, denn das Wesertal sei eine bedeutende Leitlinie für den Vogelzug. „Das Naturschutzgebiet Hohenrode hat mittlerweile eine bundesweite Bedeutung für den Rast- und landesweite Bedeutung für den Brutvogelschutz“, erläutert der Vorsitzende. Und nur 980 Meter Abstand zwischen dem Naturschutzgebiet und den geplanten Windenergieanlagen seien zu wenig. 


Sollten die Seeadler im Naturschutzgebiet brüten, könnte es sein, dass die Windräder die Hälfte des Jahres stillgelegt werden müssen. Die Stadt Rinteln hat Klage gegen den Landkreis Schaumburg eingereicht, da dieser das mangelhafte Gutachten zum Flugverhalten des Seeadlers einfach akzeptiert hatte. Diese Untersuchungen hatten nur während der Sommermonate stattgefunden, wo sich der größte heimische Greifvogel überwiegend am Wasser aufhält, um Fische, Gänse und andere Vögel sowie Kleinsäuger zu jagen. Während der Wintermonate wurden keine Kartierungen durchgeführt. Dieses wäre aus Sicht der Naturschützer aber zwingend notwendig gewesen, weil sich die Seeadler zum Jagen während der kalten Jahreszeit auf die umliegenden Felder in der Nähe, also auch im geplanten Projektgebiet, konzentrieren. Dieses tun sie, weil sich vor allem die Fische während des Winters in Bodennähe der Gewässer aufhalten, da es dort wärmer ist. Gleichzeitig können sie dort vom Seeadler nicht oder nur schwer erbeutet werden. Auch Lösungsvorschläge konnte Dr. Büscher vortragen, um zukünftige Konflikte wie diesen zu vermeiden: „Bei Gutachten muss man sich landes- und bundesweit auf einheitliche und fundierte Vorgehensweisen einigen und Standards einführen“, erklärt er. Vogelschutzgebiete sollten generell tabu bei der Planung dieser Projekte sein. Auch die Beteiligung der Öffentlichkeit und von Verbänden sollte bei Einzelanlagen ermöglicht werden, um Konflikte zu vermeiden. 


Nicht nur das alteingesessene Seeadlerpaar, sondern auch Jung-Seeadler fliegen über das Wesertal und könnten durch die Windenergieanlagen gefährdet sein. - Foto: Kathy Büscher
Nicht nur das alteingesessene Seeadlerpaar, sondern auch Jung-Seeadler fliegen über das Wesertal und könnten durch die Windenergieanlagen gefährdet sein. - Foto: Kathy Büscher

Daraufhin sprach Sönke Tangermann, der auch Geschäftsführer von Planet Energy ist, vor der Zuhörerschaft. Das Bestreben seiner Firma sei es, die Bevölkerung zu einhundert Prozent aus Ökostrom versorgen zu können, momentan zählte Planet Energy 140 000 Kunden. Beim Firmenkonzept spiele der Klimawandel eine große Rolle, denn vom Jahr 1850 zum Jahr 2017 sei die Durchschnittstemperatur um 1,35 Prozent gestiegen. „Unsere Existenzgrundlage ist bedroht“, erläutert Tangermann. Planet Energy habe es sich zum Ziel gesetzt, die Energieeffizienz zu steigern. Den Klimaschutz sieht er als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Auch Planet Energy sei für den Schutz des Seeadlers. „Wir gehen nicht über Leichen“, ergänzt er. Das Projekt in Rinteln sei ein typisches Projekt, ohne Konflikte mit dem Landschafts-, Natur- oder Emissionsschutz gehe es nicht. Die Entscheidung, dieses Projekt durchzuführen und die Windräder an dieser Stelle zu bauen, sei aufgrund der Abwägung der Genehmigungsbehörde und Planet Energy gefallen, betont er. Laut Gutachten seien die Seeadler nicht durch die geplanten Windenergieanlagen gefährdet. Pro Jahr sterben in Deutschland durchschnittlich 9 Seeadler durch Windräder in Deutschland. Für ihn seien Bleivergiftungen sowie der Auto- und Schienenverkehr, Katzen und Pestizide größere Gefährdungen. 


Sönke Tangermann erläutert seinen Standpunkt. - Foto: Kathy Büscher
Sönke Tangermann erläutert seinen Standpunkt. - Foto: Kathy Büscher

Nach den Ausführungen fand eine Fragestunde statt, wo sich Bürgerinnen und Bürger mit Fragen an die Referenten wenden oder ihre Meinung kundtun konnten. Einige Zuhörer waren der Meinung, dass neben der Natur auch der Mensch vor den Windrädern geschützt werden sollten. Ein Zuhörer fühlte sich durch die Anlagen bedroht und fand, dass diese mittlerweile doch sowieso schon fast überall im Umkreis stehen würden. Windenergieanlagen sollten dort gebaut werden, wo die Gegend weniger bewohnt sei. Der Landkreis Schaumburg gehöre jedoch zu den dicht besiedelsten in Niedersachsen. Auch der Erholung würde der Anblick nicht dienen. Ein weiteres Argument gegen das geplante Projekt waren Werteverluste bei Immobilien in Windradnähe. Auch könne man eine Flucht der Menschen vom Land in die Stadt beobachten, da dort keine Windräder gebaut werden. Moderator Schülke dankte nach der zweistündigen Veranstaltung den Referenten für ihre Ausführungen und der Zuhörerschaft für das rege Interesse am Thema. Es bleibt abzuwarten, wie das laufende Mediationsverfahren verläuft und die Klage der Stadt Rinteln gegen den Landkreis Schaumburg entschieden wird.