Das Blütenmeer am Wegesrand ist in Rinteln seltener geworden, obwohl die Wegseitenränder in einer immer intensiver genutzten Kulturlandschaft wichtige Refugien der Artenvielfalt darstellen und auch für den Betrachter eine Augenweide sind: Im vergangenen Jahr konnte man sich einen Eindruck davon anlässlich des Fürstenbesuches verschaffen, als bis in den August hinein – anders als sonst üblich – viele Wegränder in ihrer Blütenpracht nicht abgemäht worden waren, um Schaumburg für Fürst Ernst blühen zu lassen. Und was bleibt? Wird es auch nach dem Fürstenbesuch in Schaumburg blühen? Und wie sind die Belange des Naturschutzes mit Verkehrssicherungspflicht und Stadtbildpflege zu vereinbaren?
Die Blütenpracht des Vorjahres ist verwelkt, doch die Aktion soll über ihren symbolischen Wert hinaus eine nachhaltige Wirkung entfalten. Auf Initiative des Naturschutzbundes Rinteln traf sich erstmals der „Runde Tisch“ zur Optimierung der Mäharbeiten, um über gemeinsame Konzepte und Ideen offen zu diskutieren. Die Vertreterinnen und Vertreter der Stadt Rinteln, der Straßenmeisterei, des NABU, der Unteren Naturschutzbehörde wie auch des Arbeitskreises Kulturlandschaft im Heimatbund und der Imkereiverein Rinteln tauschten sich aus, um ein nachhaltiges Mähen im Rintelner Stadtgebiet zu initiieren. Das flächenmäßig „größte Naturschutzgebiet Deutschlands“ stellt eine wichtige Nahrungsquelle wie auch Schutz- und Wohnraum für Insekten, Vögel und Kleinsäuger dar und soll auch in Zukunft diese wichtige ökologische Funktion erfüllen, darin waren sich alle Interessensvertreter einig. Überhaupt zeigte sich, dass die Positionen der Behörden und der Naturschützer nicht weit auseinanderliegen, sondern von allen Seiten her Kompromissbereitschaft herrscht, um zu einer für alle Beteiligten akzeptable Lösung zu gelangen.
Unstrittig ist, dass die Behörden, die Straßenmeisterei Rinteln wie auch der Baubetriebshof, der Verkehrssicherungspflicht nachkommen müssen und dies auch in Zukunft tun werden, obgleich geprüft werden soll, inwiefern in der Vergangenheit ‚zu viel des Guten‘ getan wurde und wo für die Zukunft Verbesserungsbedarf besteht. Einigkeit herrscht auch darüber, dass im sogenannten Extensivbereich (der sich nicht im unmittelbaren Bereich der Bankette befindet) nach Möglichkeit nicht gemäht werden und dass auch im Intensivbereich auf eine angemessene Schnitthöhe geachtet werden muss. Klaus Koschnik, Vorsitzender des Imkervereins Rinteln, brachte es auf den Punkt: „Wir wollen keine auf Ameisenkniehöhe getrimmte Wiese“, wobei Koschnik die Bedeutung von früh- wie spätblühender Blumenwiesen für die heimische Insektenwelt betonte. Dass Blumenwiesen auch für den Tourismus von Bedeutung sein können und sogar helfen, Geld zu sparen, beweist die Blumenstadt Mössingen in Baden-Württemberg, die seit 1992 auf ihren öffentlichen Flächen Sommerblumen säht und anstelle des mähintensiven Standardrasens im gesamten Stadtgebiet blühende Wiesen angelegt hat. Koschnik regte eine Exkursion nach Mössingen an, um sich das Konzept vor Ort anzuschauen und sich Anregungen für Rinteln zu holen.
Allen Interessensvertretern ist klar, dass dies nur gelingen kann, wenn man in der breiten Bevölkerung Aufklärungsarbeit leistet und für die ökologische Bedeutung der Wegraine wirbt. Bürgermeister Karl-Heinz Buchholz erinnert an die vielen Beschwerden, die allsommerlich bei der Stadt Rinteln wegen ungemähter Flächen landen und auch die Stadtverwaltung in Erklärungsnöte bringt. Einen falsch verstandenen Ordnungssinn sieht darin Nick Büscher, 1. Vorsitzender des Rintelner NABU: „Schaut man sich in vielen Gärten um, so herrscht dort eine ‚Mentalität des englischen Kurzrasens‘. Unser Ziel muss es in Zukunft auch sein, für den ‚Wildwuchs‘ an unseren Straßenrändern und Wegrainen zu werben. Den Menschen muss bewusst werden, welchen Mehrwert an Lebensqualität die Artenvielfalt darstellt, die auf Wiesen und Wegrändern wächst.“ Für die Zukunft ist geplant, die Bedeutung ‚blühender Landschaften‘ stärker zu kommunizieren und offensiv Öffentlichkeitsarbeit zu machen, etwa in Form von Infoständen und Vorträgen.
Zunächst hat sich der „Runde Tisch“ darauf geeinigt, dass Ende April und Anfang Mai im Rintelner Stadtgebiet Begehungen stattfinden werden, um geeignete Bereiche als Modellflächen auszuwählen, die ökologisch und nachhaltig gemäht werden sollen: Dabei soll es sich um Flächen handeln, die bereits eine hohe Artenvielfalt aufweisen und dementsprechend entwickelt bzw. erhalten werden. Auf diesen Flächen soll dann möglichst wenig (höchstens zweimal im Jahr) und spät (Mitte/Ende Juni und ab Oktober) und nach Möglichkeit zeitlich versetzt gemäht werden, die sogenannte Staffelmahd, um für Insekten und Kleinsäugern einen Teil als Rückzugs, Nahrungs- und auch als Überwinterungsraum zu erhalten. Der Einsatz von Balkenmähern zur Schonung der Tierwelt sowie das Abräumen des Mähgutes gehören ebenfalls in den Maßnahmenkatalog für ein naturverträgliches Mähen, das auf den geplanten Modellflächen stattfinden soll, um über weitere Maßnahmen zu entscheiden: Der Anfang eines langen Weges zur Blumenstadt Rinteln ist damit gemacht.